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Wissenswertes zum Thema Osteopathie

Warum ist es für Osteopathen wichtig, so viel über Anatomie zu wissen?

Aus zahlreichen Gründen müssen Osteopathen in Anatomie und Physiologie umfassende medizinische Kenntnisse vorweisen. In der Osteopathie sieht einer der Leitsätze vor, dass die Form der Struktur und ihre Funktion sich wechselseitig bestimmen. Jede körperliche Struktur ist an die zu leistende Beanspruchung angepasst. Verändert sich diese durch Über-/Unterbelastung (z.B. bei sportlichem Mehraufwand oder durch Medikamentengabe), passt sich die Form der Struktur der Veränderung an. Nur anatomische und physiologische Kenntnisse ermöglichen einem Osteopathen, solche Prozesse zu erkennen. Ein Osteopath erstellt, bevor er eine Behandlung beginnt, eine ausführliche Diagnose. Schon zum Zeitpunkt der Konsultation des Patienten ist das anatomische und physiologische Wissen wichtig, denn bereits während der Anamnese entsteht gedanklich eine genaue Vorstellung möglicher Erkrankungen, die in Zweifelsfall ausgeschlossen werden müssen, also Kontraindikationen darstellen oder einen Arztbesuch erfordern. Weiterhin visualisiert ein Osteopath schon während der Anamnese einen Plan für die anschließende Untersuchung. Er überlegt, welche Strukturen am Beschwerdebild beteiligt sein könnten und hat verschiedenste Variationen an Möglichkeiten in seinem Wissensschatz, die zur Erkrankung geführt haben könnten. Diese müssen Schritt für Schritt differenziert betrachtet werden. Wir sprechen von einer „differentialdiagnostischen Untersuchung“. Abschließend erfolgt die osteopathische Behandlung, die gezielt auf die betroffene/n Struktur/en wirkt, indem z.B. die Durchblutung, der Stoffwechsel oder die Mobilität angeregt wird.

Was ist das Besondere an der Osteopathie?

Osteopathie ist keine Anwendungstechnik, sondern eine Heilkunst. Es werden keine Symptome bekämpft, sondern der Körper in seiner Ganzheit gesehen und behandelt. Osteopathen betrachten den Körper, die Seele und den Geist. Alle körperlichen Strukturen wie Muskeln, Gelenke, Faszien, Organe, Nerven, Lymphbahnen und Blutgefäße werden in Einklang gebracht. Gleichsam wird die Psyche des Patienten betrachtet. Alle Facetten und Einflussfaktoren, die sich auf unsere Seele auswirken, werden gesehen und versucht, hinsichtlich der Körperebene zu berücksichtigen. Diese ganzheitliche Sichtweise macht die Osteopathie so besonders und einzigartig.

Was zeichnet einen guten Osteopathen aus?

Osteopathie ist die (Heil-)Kunst, Körper, Geist und Seele in seiner Gesamtheit zu sehen, zu analysieren und zu behandeln. Ungleichgewichte werden identifiziert und der Patient auf allen Ebenen betrachtet. Es werden Fehlstellungen der Gelenke beseitigt, Stauungen in Organen behoben, Verspannungen bzw. Verkürzungen der Muskulatur sowie Verklebungen im Fasziensystem gelöst. Blutgefäße und Nerven werden befreit, sodass alles im Körper fließen kann. Die verschiedenen Gewebe des Körpers werden aufeinander abgestimmt, sodass die Zellen bestmöglich miteinander kommunizieren. Neben der körperlichen Ebene ist das psychische Gleichgewicht ebenso wichtig und entscheidend für den Genesungsprozess des Patienten. Stressoren müssen erkannt und mit dem Patienten Lösungen gefunden werden, um eine langfristige Gesunderhaltung zu erreichen.

Aufgrund dieses umfangreichen Arbeitsfeldes muss ein guter Osteopath eine Vielzahl an Eigenschaften und Qualitätsmerkmalen besitzen:

  • Umfangreiche Kenntnisse über den Körper und die Körpervorgänge: Osteopathen müssen gute Anatomen und Physiologen sein, da diese beiden Disziplinen die Basis darstellen, um kompetent beurteilen zu können, was im Körper des Patienten vorgeht.
  • Feinfühligkeit: Osteopathen sollten über besonders feine Sinne verfügen. Diese sind ihre wichtigsten Werkzeuge: Sehen, Fühlen und Wahrnehmen!
  • Empathie und Kommunikationstalent: Einfühlung und die Fähigkeit, patientenorientiert zu kommunizieren, sind wichtige Eigenschaften. Der Patient muss sich gut aufgehoben fühlen und in die Behandlung integriert werden. Er soll verstehen, was in seinem Körper fehlreguliert ist, und wie dies behoben werden kann. Osteopathie hat das Ziel, den Patienten gesund zu machen und zu erhalten. Osteopathen müssen dem Patienten in einfachen Worten erklären können, was das Problem ist, was er dagegen tun kann und wie sie ihm als Therapeuten dabei helfen können.
  • Verständnis von Körpersprache und Psyche: Osteopathen sollten gute Kenntnisse von der Psyche des Menschen besitzen. Mit ihrem Einfühlungsvermögen können sie auch zwischen den Zeilen lesen und die Körpersprache des Patienten übersetzen. Sie sollten identifizieren können, welche Stressoren den Patienten belasten, und wie sich diese auf körperlicher Ebene manifestieren.
  • Authentizität: Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Authentizität des Therapeuten. Der Patient sollte die ehrliche Begeisterung des Osteopathen für diesen wunderschönen Beruf spüren.

Warum dauert eine osteopathische Ausbildung so lang?

Ein Osteopath erlernt profundes Wissen, medizinische Untersuchungsergebnisse zu verstehen und in die Befunderhebung zu involvieren. Diese Kenntnisse beziehen sich auf die Bereiche Embryologie, Anatomie, Physiologie, Histologie, Biochemie, Psychologie und bildgebende Untersuchungsverfahren. Wer anfängt, mit Menschen zu arbeiten, sollte zunächst ein Verständnis für seinen eigenen Körper und seine Psyche entwickeln. Anatomische und physiologische Erkenntnisse sollten erlernt und gleichzeitig verstanden werden. Allein das Begreifen, also das Ertasten, Fühlen und Spüren der Strukturen, die einen menschlichen Körper ausmachen, erfordert eine gewisse Zeit. Nach und nach kann von den unterschiedlichen Erfahrungen dieses Begreifens profitiert werden, aufgrund der Tatsache, dass kein Körper dem anderen gleicht. Auch derselbe Körper, der ständig Umwelteinflüssen ausgesetzt ist, bewältigt ffortwährend Veränderungen und entwickelt Adaptionsprozesse. Der Spür- und Tastsinn eines Osteopathen wird über den Zeitraum der Ausbildung darin geschult, anatomisch Erlerntes am Menschen wahrzunehmen sowie dysfunktionale Veränderungen zu erkennen und zu behandeln. Dabei wird das manuelle Erspüren im Verlauf der Ausbildung immer „feinstofflicher“, es beginnt mit dem Palpieren von Knochen und Muskeln und endet mit der Palpation des craniosacralen Rhythmus.

Zusätzlich wird der Blick des Osteopathen für Haltungsschemata, asymmetrische und/oder adaptierte Haltungen, sichtbare Veränderungen der Haut und deutlich erkennbare Dysfunktionen, trainiert. Sich Zeit zu nehmen, den Tastsinn, das Auge und alle weiteren Sinne medizinisch zu schärfen, die Angaben der Patienten zu verstehen und sinnvoll einzuordnen sowie den menschlichen Körper mit all seinen lebendigen Prozessen zu erfahren, lohnt sich!

Was gehört zur Osteopathie?

Andrew Taylor Still behandelte mit manuellen Techniken, die seiner Ansicht nach dem Organismus zur optimalen Anpassung verhelfen, sodass sich gesundheitsförderliche Prozesse (Selbstregulationsmechanismen) besser entfalten können. Mithilfe der Aktivierung dieser inneren Kräfte kann bestehenden Symptomen oder Krankheiten begegnet werden. Die moderne Osteopathie wird als eine Erweiterung der Manuellen Medizin im Allgemeinen in drei Bereiche gegliedert:

  • die parietale Osteopathie, welche sich mit Muskeln, Sehnen, Bändern, Gelenkkapseln und Knochen befasst;
  • die viszerale Osteopathie, welche auf die inneren Organe sowie das umgebende Gewebe eingeht;
  • und die craniosacrale Osteopathie, deren Schwerpunkte die Schädelknochen und ihre Verbindungen, das Gehirn und weiterlaufende neurologische Strukturen, die Hirnhäute und das Rückenmark sind.

Darüber hinaus kennt man die fasziale Osteopathie als einen weiteren großen Bereich. Faszien verbinden alle Strukturen des Körpers miteinander. In ihnen sind Organe, Muskeln, Sehnen und Knochen eingebettet. Heute weiß man, dass sie auch neurologische Strukturen beinhalten, weswegen sich, z.B. durch pathologische Prozesse oder Traumata, auch die an das Gehirn weitergeleiteten Informationenverändern können. Ein Osteopath arbeitet selten nur mit einem Teilbereich der Osteopathie. Es ist wichtig, zu betonen, dass anamnestisch, diagnostisch und auch in der Behandlung immer alle Bereiche der Osteopathie involviert sind und berücksichtigt werden. Last but not least verstehen die Osteopathen Körper und Seele als miteinander verwobene Einheit. Daher werden grundsätzlich sowohl äußere wie auch innere Einflussfaktoren, die jeden Menschen bewegen, betrachtet.

Was denkt die Schulmedizin über die Osteopathie?

Die Schulmedizin der westlichen Welt stützt sich auf apparative Diagnostik und medikamentöse Therapie. Der Patient wird untersucht und, je nachdem, welche Symptome erzeigt, an den jeweiligen Facharzt verwiesen oder direkt vom Hausarzt behandelt, meist medikamentös. Der Facharzt untersucht den Patienten seinem Fachgebiet entsprechend und behandelt ihn, wenn sich Auffälligkeiten zeigen, operativ oder medikamentös. Wird nichts gefunden, verweist man den Patienten einfach weiter oder spricht von „psychosomatischen Störungen“. Die Osteopathie hat einen grundlegend anderen Ansatz: Hier steht die Wahrnehmung des Patienten als Ganzes im Fokus. Der Patient wird als Einheit betrachtet. Alle Körperfunktionen und - regionen werden analysiert und die Verbindungen der Strukturen auf Dysfunktionen untersucht. So kann z.B. eine Symptomatik in der rechten Schulter auf eine Dysfunktion in der Leber hindeuten. Die Diagnosemethoden und die daraus resultierenden Behandlungsansätze der Osteopathie unterscheiden sich von denen der konventionellen Medizin daher deutlich. Da die meisten Schulmediziner keine Osteopathie-Ausbildung besitzen, ist das Verständnis für die osteopathische Behandlungsweise oft nicht gegeben. Es kommt häufig zu Vorurteilen und Unverständnis. Die Akzeptanz der Osteopathie in der Ärzteschaft und der Bevölkerung ist über die Jahre deutlich besser geworden. Die positiven Berichte und Erfahrungen von Patienten haben sich auch unter Schulmedizinern herumgesprochen, und immer mehr Hausärzte entscheiden sich dafür, ihren Patienten eine Empfehlung für die Osteopathie zugeben. Dies ist eine sehr erfreuliche Entwicklung, denn es geht um die Patienten und die bestmögliche medizinische Versorgung, zu der sowohl die konventionelle Medizin wie auch die Osteopathie zählen.